Werk
Alexander von Humboldts Amerikanische Reisetagebücher
Die Amerikanischen Reisetagebücher Alexander von Humboldts (1769–1859) gehören zu den wissenschaftsgeschichtlich und reiseliterarisch wichtigsten sowie politisch und gesellschaftlich wirkungsvollsten Dokumenten des ausgehenden 18. und des gesamten 19. Jahrhunderts. Sie beziehen sich auf Humboldts gemeinsam mit dem Franzosen Aimé Bonpland zwischen 1799 und 1804 unternommene fünfjährige Reise durch die amerikanischen Tropen.
Die Reisetagebücher markieren auf naturwissenschaftlicher wie kulturwissenschaftlicher Ebene den entscheidenden Paradigmenwechsel hin zu einer Verzeitlichung und Historisierung allen Wissens im Kontext der sich konstituierenden europäischen Moderne.
Wenn Sie Informationen zum Inhalt der einzelnen Tagebücher und direkte Links zum jeweiligen Eintrag im Verbundkatalog für Nachlässe und Autographen „Kalliope“ und in den Digitalisierten Sammlungen der Staatsbibliothek zu Berlin suchen, klicken Sie auf die entsprechenden Bilder unten.
Form und Inhalt der Amerikanischen Reisetagebücher
Erst wenige Jahre vor seinem Tod hat Humboldt seine Reisemanuskripte, Hefte und Arbeitsblätter zu dem heute vorliegenden inhaltlich wie materiell äußerst heterogenen Konvolut von neun schweinsledernen Bänden zusammenbinden lassen. Einbinden ließ er dabei auch seine Reiseaufzeichnungen und Forschungsnotizen diverser Reisen in Europa, die er vor und unmittelbar nach seiner Reise auf den amerikanischen Kontinent unternahm.
Alle Bände weisen typische Merkmale der Humboldt’schen Reisetagebücher auf: Die Texte sind oft nicht in zeitlicher Folge geschrieben, zudem wechseln sich wenige genau datierte Passagen zu Tagesereignissen mit allgemeinen Notizen ab. Humboldt schreibt deutsch und französisch, an einigen Stellen auch spanisch. Klar erkennbar ist auch, dass Humboldt die Tagebücher bis an sein Lebensende als Werkzeuge seiner Forschung und als Wissensspeicher nutzte: Einfügungen, Streichungen, erklärende Zusätze, Zitate, kurz alle erdenklichen Textergänzungen stammen aus der gesamten Zeit seiner Arbeit als Wissenschaftler. Zu den materiellen Entnahmen zählen zahlreiche ausgeschnittene Blätter, von denen sich nur ein Teil in seinem heute bekannten Nachlass befindet und zweifelsfrei den Tagebüchern zugeordnet werden kann. Wann die Entnahmen jeweils vorgenommen wurden und warum, ist noch nicht abschließend geklärt. In ihrer heutigen Fassung enthalten die Tagebücher zwei Zählweisen: die von Humboldt zumeist in Tinte vorgenommene Seitenzählung (Paginierung) sowie die mit Bleistift in der Moskauer Lenin- Bibliothek ergänzte Blattzählung (Foliierung). Die russische Zählweise ist die in der Forschung verbreitete, da sie vollständig ist und alle losen sowie auch die von Humboldt einklebten Blätter berücksichtigt.
Besitzgeschichte der Amerikanischen Reisetagebücher
Humboldt verfügte testamentarisch, dass seine Tagebücher sowie sein Nachlass der Wissenschaft zur Verfügung stehen sollten. Den Nachlass vermachte er der Königlichen Bibliothek, die Tagebücher verblieben bei den Nachfahren Wilhelm von Humboldts. Während man den Nachlass aus der Preußischen Staatsbibliothek während des Zweiten Weltkriegs aus Berlin zum Teil nach Schlesien auslagerte, wurden die Tagebücher bei Kriegsende aus Schloss Tegel in die Sowjetunion abtransportiert. Dort lagen sie in der Moskauer Lenin-Bibliothek und wurden zusammen mit zahlreichen ebenfalls nach Moskau abtransportierten Beständen, die aus der Preußischen Staatsbibliothek stammten, 1958 an die Deutsche Demokratische Republik zurückgegeben. Nach der Wiedervereinigung übergab die Familie von Heinz der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz die Tagebücher als Depositum. Dieses Depositum wurde 2005 zurückgenommen, 2013 konnte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Tagebücher mit Mitteln zahlreicher öffentlicher und privater Geldgeber für insgesamt 12 Millionen Euro für die Staatsbibliothek erwerben. Der nach Schlesien ausgelagerte Teil des Nachlasses Humboldts liegt heute in der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau.
Forschung und Edition der Amerikanischen Reisetagebücher
Das von der Staatsbibliothek zu Berlin zusammen mit der Universität Potsdam durchgeführte, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte Verbundprojekt »Alexander von Humboldts Amerikanische Reisetagebücher« hat zum Ziel, mit neuen Forschungsansätzen die Amerikanischen Reisetagebücher in den Kontext der Kultur, Politik, Gesellschaft und der Forschung des 19. Jahrhunderts zu stellen. Zu diesem Zweck wird neben den Amerikanischen Reisetagebüchern auch der in der Staatsbibliothek zu Berlin und der heute in der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau befindliche Nachlass Alexander von Humboldts erschlossen, digitalisiert und damit der Öffentlichkeit in seinem gesamten Umfang präsentiert. Im Potsdamer Forschungsprojekt werden die Tagebücher derzeit in einem Team von fünf Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern unter Leitung von Ottmar Ette aus literaturwissenschaftlicher, bildwissenschaftlicher, epistemologischer sowie raum- und bewegungstheoretischer Perspektive untersucht.
In das Akademienprogramm 2015 wurde das Projekt »Alexander von Humboldt auf Reisen. Wissenschaft aus der Bewegung« als Vorhaben der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Das Vorhaben beabsichtigt die vollständige Edition der Manuskripte Alexander von Humboldts zum Themenkomplex Reisen (Reisejournale, Tagebücher, Denkschriften, Publikationen in den bereisten Ländern und Regionen, Korrespondenzen) an der Schnittstelle von Kultur- und Naturwissenschaften und knüpft an die Tradition der Humboldt-Forschung in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften an.
Nachlass Alexander von Humboldts in Berlin
Der in der Staatsbibliothek zu Berlin verwahrte Teil des Nachlasses Alexander von Humboldts umfasst große und kleine Kästen, die einerseits seinen „echten“ Nachlass, die sog. „Kollektaneen“ enthalten, andererseits als „Humboldtiana“ Sammlungen seiner Briefe enthalten. Außerdem besitzt die Staatsbibliothek in der „Dokumentensammlung Darmstaedter“ Briefe von 546 Personen, die an Humboldt gerichtet sind.
Wenn Sie Informationen zum Inhalt der einzelnen Kästen und direkte Links zum jeweiligen Eintrag im Verbundkatalog für Nachlässe und Autographen „Kalliope“ und in den Digitalisierten Sammlungen der Staatsbibliothek zu Berlin suchen, klicken Sie auf die entsprechenden Bilder unten.
„Kollektaneen zum Kosmos“ („echter Nachlass“)
Alle Kästen aus dem „echten Nachlass“, die „Kollektaneen“, lagen bis 1932 in der Sternwarte in Babelsberg. Nach Humboldts Willen sollten sie nach seinem Tod dorthin zur weiteren wissenschaftlichen Auswertung verbracht werden. 1932 wurden alle Kästen der Preußischen Staatsbibliothek von den Nachfahren Humboldts als Geschenk übergeben. Es handelte sich um die großen Kästen 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9, 11, 12, 13 und 14. Der in der Zählung fehlende Kasten 10 wurde von Humboldt testamentarisch seinem Sekretär Eduard Buschmann vermacht. Sein Inhalt gelangte mit dessen Nachlass 1883 in die Königliche Bibliothek, wurde dort aber dem Teil des Humboldt-Nachlasses zugeordnet, der heute in der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau liegt (s.u.). Die Kästen 3 und 7 und 14 wurden erst nach der Übernahme in die Bibliothek als kleine Kästen bezeichnet und tragen nun die Nummern 3a und 3b, bzw. 7a und 7b und 14.
Humboldtiana in der Sammlung Darmstaedter („unechter Nachlass“)
Außerdem wurden in der Staatsbibliothek drei kleine Kästen (1a und 1b, 2) die sog. „Humboldtiana“ angelegt, die vorwiegend Briefe und Briefabschriften von und an Humboldt enthalten. Diese Briefe wurden von der Bibliothek zu verschiedenen Zeitpunkten 1912 bis 1936 von verschiedenen Vorbesitzern erworben.
An Humboldt gerichtete Briefe in der Dokumentensammlung Darmstaedter
In den Jahren 1927 bis 1928 überwies der Verein der Freunde der Preußischen Staatsbibliothek der Bibliothek Briefe von 546 Personen, alle an Alexander von Humboldt gerichtet. Diese Briefe wurden in die Dokumentensammlung Darmstaedter der Bibliothek aufgenommen und dort den wissenschaftlichen Disziplinen zugeordnet, nach denen die Struktur der Sammlung aufgebaut ist.
Eine ausführliche Darstellung der Nachlassgeschichte finden Sie in dem Artikel „Nachlassgeschichten – Bemerkungen zu Humboldts nachgelassenen Papieren in der Berliner Staatsbibliothek und der Biblioteka Jagiellońska Krakau“ (erschienen in HiN XVI, 31 (2015)).
Nachlass Alexander von Humboldts in Krakau
Der während des Zweiten Weltkrieges nach Schlesien ausgelagerte Teil des Nachlasses Humboldts wird heute in der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau verwahrt. Er ist neben den in der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz verwahrten Kollektaneen zum Kosmos der zweite große Bestand zu Alexander von Humboldt. Das Material gelangte in mehreren Partien in die Bibliothek und umfasst Manuskripte, Entwürfe und Druckfahnen zu zahlreichen publizierten aber auch unveröffentlichten Texten. Der Bestand stammt aus Humboldts Hinterlassenschaft und wurde zu großen Teilen durch die Humboldt-Sammlung Eduard Buschmanns ergänzt. Buschmann, der die meisten Abschriften der späten Werke Humboldts – allen voran des Kosmos – anfertigte, hatte Teile seiner Sammlung noch zu dessen Lebzeiten geschenkt bekommen. Andere Teile, wie zum Beispiel die Materialsammlungen zum ‚Examen critique‘ erhielt Buschmann nach Humboldts Tod als Erbe. Zum Bestand gehören auch zwei umfangreiche Briefwechsel – mit Eduard Buschmann und mit dem Potsdamer Kartographen Heinrich Berghaus.
Wenn Sie Informationen zum Inhalt der einzelnen Kästen und direkte Links zum jeweiligen Eintrag im Verbundkatalog für Nachlässe und Autographen „Kalliope“ und in den Digitalen Bibliothek der Jagiellonen-Bibliothek Krakau suchen, klicken Sie auf die entsprechenden Bilder unten.
Band 1-4b
Die ersten Bände des unter dem Namen „Nachlass Alexander von Humboldt“ verwahrte Bestandes in Krakau setzen sich aus Erwerbungen zusammen, die bereits 1868 in die Berliner Königliche Bibliothek gelangten. Die Bände 1-4b enthalten Humboldts Papiere zur Statistik von Mexiko und Kuba sowie ein Memoire Albert Gallatins über die indigene Bevölkerung Nordamerikas.
Band 5-14 (Eduard Buschmann)
Die weiteren Teile stammen aus der Humboldt-Sammlung Eduard Buschmanns, die in zwei Abschnitten in die Königliche Bibliothek gelangten: 1870, als Schenkung, Band 5 mit den Manuskripten des Kosmos und 1894, auf ungeklärtem Weg aus der Berliner Universitätsbibliothek, sowie die Bände 6-14, in denen sich neben zahlreichen Werkentwürfen und Materialien zur Geschichte der Entdeckung der Neuen Welt und weiteren Papieren auch der Briefwechsel Humboldts mit Buschmann befindet.
Band 15
Der letzte Band mit der Nummer 15 war ursprünglich separat unter der Signatur ms. germ. qu. 1031 aufgestellt und gelangte später zu der Sammlung. 1941 wurde die Sammlung im Rahmen der kriegsbedingten Evakuierung wertvoller Bestände aus Berlin nach Schlesien ausgelagert. Nach dem Krieg gelangte die Sammlung in die Jagiellonen-Bibliothek, wo sie seither verwahrt wird.
Eine ausführliche Darstellung der Nachlassgeschichte finden Sie in dem Artikel „Nachlassgeschichten – Bemerkungen zu Humboldts nachgelassenen Papieren in der Berliner Staatsbibliothek und der Biblioteka Jagiellońska Krakau“ (erschienen in HiN XVI, 31 (2015)).