1769-1789
Jugend und Studium
Alexander von Humboldt wird am 14. September 1769 als zweiter Sohn des preußischen Majors a. D. und Kammerherrn Alexander Georg von Humboldt und seiner Ehefrau Marie-Elisabeth von Hollwede, geb. Colomb, in Berlin geboren. Als Geburtsort wird sowohl die Adresse Jägerstraße 22 als auch Schloss Tegel, der Sommersitz der Familie, angegeben.
Der sechsjährige Alexander wird mit dem zwei Jahre älteren Bruder Wilhelm von Hauslehrern erzogen. Schon früh zeigt er ein Interesse an Naturgeschichte und Pflanzenkunde. In der Literatur hält sich deshalb die Legende, Alexander habe zu Hause den Spitznamen »der kleine Apotheker« erhalten. Der Knabe liest gerne von Forschungs- und Entdeckungsreisen; 1783 fertigt er eine Zeichnung der »Halbkugel der neuen Welt« an und entwirft eine zeichnerische Veranschaulichung des »Copernicanischen Planetensystems«.
14.9.1769 Humboldt wird in Berlin geboren und stirbt hier am 6.5.1859
6.5.1799 Beginn der Reise nach Amerika in La Coruña
21.6.1799 Besteigung den Pico de Teide auf Teneriffa
16.7.1799 Humboldt landet in Cumaná im heutigen Venezuela
19.12.1800 Humboldt landet in La Habana auf Cuba
23.6.1802 Versuch, den Gipfel des Chimborazo zu erreichen
23.10.1802 Humboldt trifft in Lima in Peru ein
19.9.1803 Besteigung des Vulkans Jorullo
20.5.1804 Humboldt trifft in Philadelphia ein
3.8.1804 Humboldt betritt in Bordeaux wieder europäischen Boden
5.1.1829 Humboldt erreicht St. Petersburg
14.8.1829 Humboldt ist in Krasnojarsk an der chinesischen Grenze
Kupferstich, koloriert aus: Physikalischer Atlas, Gotha 1851
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Schon in jungen Jahren haben die Brüder Humboldt Zutritt zu den Kreisen der Berliner Aufklärung: Der Kantschüler und Physiker Marcus Herz und seine Ehefrau Henriette, die Alexanders lebenslange Seelenfreundin bleibt, geben in ihren Salons Anregungen jeder Art. Carl Ludwig Willdenow, der spätere Direktor des Berliner Botanischen Gartens, führt Alexander in die Botanik ein. Zu Alexander von Humboldts Jugendfreunden zählt auch der spätere Berliner Bankier Joseph Mendelssohn. 1787 gehen die Brüder Humboldt für ein Jahr zum Studium nach Frankfurt an der Oder. Während Wilhelm sich dem Studium der Rechtswissenschaften widmen sollte, war für Alexander die Staatswirtschaftslehre (Kameralistik) vorgesehen. 1789 wechseln beide Brüder nach Göttingen, wo Alexander mit der Philosophie Georg Friedrich Lichtenbergs und den Arbeiten des Zoologen und Anatomen Johann Friedrich Blumenbach vertraut wird.
Seine erste »naturhistorische« Bildungsreise unternimmt Alexander 1789 mit dem holländischen Arzt Steven Jan van Geuns von Kassel aus über Frankfurt am Main, der Bergstraße folgend nach Heidelberg, Mannheim und dann nach Mainz, wo man bei Georg Forster logiert, der als Begleiter James Cooks auf dessen Südsee-Expedition von 1772–1775 einige Berühmtheit erlangt hatte.
Mit Forster reist Humboldt im folgenden Jahr an den Niederrhein, nach Holland, Belgien und England, schließlich nach Paris. 1790 veröffentlicht Humboldt seine erste wissenschaftliche Arbeit »Mineralogische Beobachtungen über einige Basalte am Rhein«. Im August dieses Jahres beginnt er seine Studien an der Handelsakademie in Hamburg, schreibt sich jedoch bereits 1791 in der Bergakademie Freiberg bei dem berühmten Geologen Abraham Gottlob Werner ein. Alexanders berufliche Laufbahn beginnt im Februar 1792 im preußischen Bergdepartement als Assessor cum voto.
Der Staatsdienst führt den selbstbewussten, hart arbeitenden jungen Adligen in die fränkischen Fürstentümer Ansbach und Bayreuth. In Steben gründet Humboldt 1793 mit eigenen Mitteln eine Freie Bergschule, um die berufliche Qualifikation der Bergleute und ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. Inspektionsreisen führen ihn nach Österreich und nach Schlesien. Daneben reist er nach Wien, unternimmt geologische und botanische Expeditionsreisen in die Schweiz und nach Tirol, wo er erste methodische Datenerhebungen meteorologischer Art durchführt. 1797 quittiert er den Staatsdienst. Der Tod der Mutter im November 1796 hatte beide Brüder zu Erben eines großen Vermögens gemacht, das ihnen ein unabhängiges Leben ermöglicht. Alexander beginnt mit der Vorbereitung einer Forschungsreise, wobei zunächst nicht klar ist, wohin sie führen soll. Seine botanischen Forschungen (»Florae Fribergensis specimen«, 1793) und zahlreiche physiologische Experimente, die er 1797 in dem zweibändigen Werk »Versuche über die gereizten Muskel- und Nervenfaser« publiziert, erregen Aufmerksamkeit in der Wissenschaft. Zu Gast bei seinem in Jena wohnenden Bruder Wilhelm, trifft er Ende 1794 auf Johann Wolfgang von Goethe, mit dem er Erfahrungen als Naturwissenschaftler austauscht.
Ideen zu einer großen Forschungsreise nach Italien, zu den Westindischen Inseln, nach Ägypten oder zum Südpol zerschlagen sich wegen der unsicheren politischen Lage im noch von Revolution und den ersten napoleonischen Eroberungen gekennzeichneten Europa. Als auch eine von Marseille aus geplante Expedition nach Nordafrika durch französische Truppenbewegungen vereitelt wird, gelingt es Humboldt mit der Unterstützung von Minister Mariano Luis de Urquijo, von Spanien aus eine Forschungsreise nach Südamerika vorzubereiten. Spanien, wo er sich nach einer gesellschaftlich und wissenschaftlich fruchtbaren Zeit in Paris, damaliges Zentrum der Künste und Wissenschaften, seit dem Winter 1798 in Begleitung des Mediziners und Botanikers Aimé Bonpland aufhält, ist daran interessiert, durch einen Experten den Zustand des Bergwesens in seinen Kolonien untersuchen zu lassen.
Der spanische König Carlos IV. stattet Alexander von Humboldt daher mit Papieren aus, die ihm Bewegungsfreiheit und die Unterstützung durch die Vizekönige und Beamten in den amerikanischen Kolonien sichern.
Am 5. Juni 1799 lichtet die Pizarro im Hafen von La Coruña die Anker. An Bord Alexander von Humboldt, sein Begleiter Aimé Bonpland und eine Ausrüstung von physikalischen und astronomischen Messgeräten, die dem neuesten Stand der Technik entsprechen. Nach kurzem Zwischenaufenthalt auf Teneriffa landet das Schiff am 16. Juli 1799 um 9 Uhr in Cumaná im heutigen Venezuela. Die dort begonnene Erforschung des oberen Orinoko und seiner Verbindung zum Río Negro durch Humboldt und Bonpland gehört zu den meistbewunderten geographischen Unternehmungen des 18. Jahrhunderts.
Über Cuba reist Humboldt 1801 weiter in das heutige Kolumbien und nach Peru. Die Expedition von Bogotá über Quito nach Lima bringt ihn im Juni 1802 an den Fuß des Chimborazo, der damals als der höchste Berg der Welt gilt. Humboldt und seine Begleiter erreichen zwar nicht seinen Gipfel, stellen aber mit (nach neueren Berechnungen) 5.600 Metern einen viele Jahre lang bestehenden Höhenrekord (unter Europäern) auf. Im September 1802 erfüllt sich ein Jugendtraum: Humboldt erblickt auf seiner Reise nach Lima zum ersten Mal den Pazifik.
Schematische Darstellung zur Pflanzengeografie auf der Grundlage von Humboldts Forschungsergebnissen
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Alexander von Humboldt nutzt den Aufenthalt in Peru zu Studien, verhilft durch astronomische Berechnungen in Callao zu einer genaueren Bestimmung des Längengrades der Hauptstadt Lima und schickt Proben der durch ihn auch in Europa als Guano bekannt gewordenen Vogelexkremente zur Analyse nach Paris. Auf der Rückfahrt per Schiff nach Guayaquil entlang der Küste nimmt er Messungen der kalten ozeanischen Strömung vor, die vor der peruanischen Küste vorbeizieht. Die Bezeichnung Humboldt-Strom setzt seinen Forschungen später ein bekanntes Denkmal. Nach mehr als einjährigem, wissenschaftlich fruchtbarem Aufenthalt in Mexiko, dem damaligen Vizekönigreich Neu-Spanien, welcher ihn vom pazifischen Acapulco über Mexiko- Stadt bis zum atlantische Veracruz und von dort aus noch einmal nach Kuba führt, schifft er sich schließlich von Havanna, wo er die vor der Andenreise gesammelten wissenschaftlichen Erträge und die botanische Sammlung deponiert hatte, nach Philadelphia ein.
In Washington trifft er den von ihm bewunderten amerikanischen Präsidenten Thomas Jefferson, dessen naturwissenschaftliche Kenntnisse ihn faszinieren, bevor er sich mit Bonpland und 40 Kisten voll wissenschaftlicher Ausbeute an Bord der Fregatte La Favorite auf die Heimreise begibt. Anfang August 1804 betritt Humboldt in Bordeaux wieder europäischen Boden.
In Paris ist Humboldt, den manche Zeitungen bereits tot gesagt hatten, der Held des Tages. Er arbeitet an der Ordnung und Verteilung seiner Sammlungen und begibt sich im Frühjahr 1805 nach Rom, wo Wilhelm von Humboldt preußischer Gesandter beim Vatikan ist. Seit Februar 1805 ist Humboldt ordentliches Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Im Dezember des Jahres ernennt ihn Friedrich Wilhelm III. zum königlichen Kammerherrn. Humboldt nimmt mit Freunden systematische Messungen zum Erdmagnetismus vor, hält Vorträge in der Akademie der Wissenschaften und verfasst die »Ansichten der Natur« (erste Aufl. 1807). Es erscheint auch sein »Essai sur la géographie des plantes accompagné d’un tableau physique«. Im folgenden Jahr reist er im Gefolge des Prinzen Wilhelm, des Bruders Friedrich Wilhelms III., in diplomatischer Mission nach Paris. Er betreibt dort die Veröffentlichung seines rund dreißigbändigen amerikanischen Reisewerkes »Voyage aux régions équinoxiales du Nouveau Continent fait en 1799, 1800, 1801, 1802, 1803 et 1804 par Alexandre de Humboldt et Aimé Bonpland«. 1827 kehrt er auf Wunsch Friedrich Wilhelms III. nach Berlin zurück. Im Wintersemester 1827/1828 hält er 61 Vorlesungen über »Physische Erdbeschreibung, mit Prolegomenen über Lage, Gestalt und Naturbeschaffenheit der Gestirne« an der Universität. Im Dezember beginnt er einen Zyklus von 16 öffentlichen Vorträgen zum gleichen Thema in der Sing-Akademie zu Berlin.
Im Frühjahr 1829 kann Humboldt zu der lang ersehnten Expedition durch Asien aufbrechen: Auf Einladung des Zaren soll er auf einer sechsmonatigen Reise den Bergbau im Ural besichtigen und geologische Untersuchungen vornehmen. Die Fahrt über St. Petersburg, Moskau, Nischni Nowgorod führt ihn bis nach Kasan. Von Jekaterinburg aus beginnt die Erkundung des Ural. Der Wunsch Humboldts, die chinesische Grenze zu überschreiten und Tibet zu betreten, geht jedoch nicht in Erfüllung. Kurz vor Weihnachten, nach einer Fahrt von 18.000 Kilometern, ist Humboldt wieder in Berlin. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Reise verwendet Humboldt unter anderem, um eine internationale Zusammenarbeit zur Erforschung des Erdmagnetismus ins Werk zu setzen.
Ausschnitt aus: Kupferstich von Louis Bouquet [1765 – 1814]
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Ende 1834 beginnt Humboldt die Arbeit am »Kosmos«, dem Werk, das ihn bis zu seinem Tode beschäftigen wird: Hier folgt Humboldt einem Plan, den er nach der Idee einer »physikalischen Weltbeschreibung« schon seit Jugendjahren verfolgt. Es geht um nicht weniger als die künstlerisch wie wissenschaftlich ambitionierte Darstellung der ganzen Welt. Humboldt bündelt hier das Wissen von der Natur nicht nur in seinem gegenwärtigen Zustand, sondern zugleich als Kulturgeschichte eines Wissens von der Welt seit der Antike bis in seine Zeit. Diesen, wie er einem Freund anvertraut hatte, »tollen« Einfall hat Alexander von Humboldt als eine imaginäre Reise durch das Universum konzipiert, die bei den entferntesten Nebeln des Alls ihren Ausgang nimmt und auf dem Weg zu den Gesteinen und Moosen auf der Erde, zu den Tieren und Menschen die unterschiedlichsten Räume des Wissens durchquert. Der erste Band erscheint 1845, den vierten stellt er mit 89 Jahren fertig. Den fünften Band kann er nicht mehr vollenden.
1842 wird er der erste Kanzler der von Friedrich Wilhelm IV. gestifteten Friedensklasse des Ordens Pour le Mérite. Nach der gescheiterten Revolution von 1848 wird er wegen seiner liberalen politischen Gesinnung bei Hofe immer wieder angefeindet. Im Dezember 1857 bewirkt Humboldt eine Gesetzesnovelle bei Hof, die den Abolitionismus nach Preußen bringt. Der als Förderer der Wissenschaft gepriesene Gelehrte, weltberühmt und hoch geehrt, Mitglied vieler wissenschaftlicher Akademien, wird 1856 mit der Ehrenbürgerwürde seiner Heimatstadt Berlin ausgezeichnet, wo er am 6. Mai 1859 stirbt.
Weitere Informationen auch auf der Webseite der Alexander-von-Humboldt-Forschungsstelle der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.